Walter Mayer
Fürth 2002
Von der „Radio-Stadt“ zur Uferstadt Das Gelände an der Kurgartenstraße 37 sollte vor dem 1. Weltkrieg Kurpark der „König Ludwig Quelle“ werden. Es war nämlich eine Warmwasserquelle mit amtlicher Bestätigung der Heilwirkung erbohrt worden. Einige Gebäude wurden errichtet, so auch das Kurhaus mit verglasten Kabinen und Massageabteilung. Grundriß und Grundmauern sind heute noch erkennbar als Geschäftsgebäude der Firma Sellbytel. Sogar ein kleiner Kurpark mit Pavillon und Quellbrunnen ist noch erhalten geblieben. Durch die Folgen des 1. Weltkrieges und die Finanzknappheit sind die Pläne für die Kurstadt Fürth dann in der Versenkung verschwunden, woran auch eine kurzes Wiederaufflackern in der Nazizeit nichts änderte. Das Kurhaus wurde von der Stadt vermietet, unter anderem an die Spiegelglas Union. Das anschließende Gelände mit Kureinrichtungen blieb ungenutzt. 1947, also fast 40 Jahre später, wurde es Zeit, daß Max Grundig das schon längst angepeilte Fabrikationsgebäude bekam. Er hatte bisher in der Jakobinenstraße 24 bei unzureichenden räumlichen Bedingungen seine Fertigung aufgebaut. Dr. Hans Bornkessel, der 1946 zum Oberbürgermeister von Fürth avancierte, unterstützte die Bemühungen.
Max Grundig stellt 1960 sein neuestes Produkt, den Taschenradio „Mini Boy“ vor, eines der ersten Transistorgeräte. Daneben der gute alte „Heinzelmann“ von 1946, mit dem der Firmengründer seine Bekanntheit erwarb. Repro: W. Mayer. So konnte Max Grundig das Grundstück an der Kurgartenstraße von der Stadt kaufen und feierte am 3. März 1947 den ersten Spatenstich. Schon im September 1947 waren die geplanten sechs Steinbaracken erstellt und die Fertigung mit 280 Mitarbeitern konnte am neuen Standort beginnen. Bis zum Ende 1948 waren schon fast 40.000 Geräte aus diesen Fertigungshallen auf dem ehemaligen Kurgelände gekommen, neben den „Heinzelmann“ Baukästen auch der berühmte Vierkreis- Super „Weltklang“, der zur Währungsreform am 20. Juni 1948 als Luxusgerät schon mit 1316 Stück verfügbar war. Er kostete damals um 500,– Mark. Wie das Publikum mit 40 Mark Handgeld die Geräte damals begierig kaufen konnten, bleibt heute noch ein Rätsel. Aber es war ein großer Erfolg und begründete den Ruf der Firma, die auf dem Markt ein Neuankömmling war. Alle anderen etablierten Radiofirmen standen noch vor ihren Trümmerhaufen, während Max Grundig seine Chance erkannte und nutzte. In den nächsten Jahren wurde an der Kurgartenstraße im Eiltempo weitergebaut, jede vereinnahmte D-Mark wurde in neue Fertigungs- und Laborgebäude investiert. Anfang 1949 wurde das 100.000ste Radio mit 800 Beschäftigten hergestellt, Ende des Jahres waren es schon 1.000 Beschäftigte bei 150.000 Radios.
Nach dem Abriß der Halle A und des U-Baus ist nur das ehemalige Verwaltungsgebäude von der Zeit um 1950 übrig. Es wird jetzt als Rundfunkmuseum genutzt und liegt später im Uferpark. Vorn und hinten links die leeren Flächen, auf denen einstmals die Halle A und der U-Bau standen. Foto: A. Mayer. Im darauffolgenden Jahr 1950 entstand die riesige Montagehalle, die Zeitung titelte im März 1950: „‚Radio-Stadt‘ im Entstehen“. Diese Halle wurde noch in jüngster Zeit als „Musikhalle A“ benutzt, heute ist sie abgerissen und verschwunden. Ebenso der sogenannte UBau, das Labor-Gebäude und die Steinbaracken: Damit ist die Keimzelle der Weltfirma verschwunden, nur das ehemalige Verwaltungsgebäude hat als Rundfunkmuseum den Abriß überlebt. Mit über 3.000 Mitarbeitern in der Kurgartenstraße war das Werk im Jahr 1951 an die Grenzen seiner Kapazität gelangt und es begann die weltweite Ausdehnung mit schließlich fast 40.000 Mitarbeitern.
Das Bild zeigt die Ansicht der Firma Grundig etwa Ende 1950, im Ausschnitt hier die Teile, die schon Anfang 1950 standen. Links (1) ist die erst kürzlich abgerissene Halle A sichtbar, die noch fast bis zum Schluß für Aufführungen von Musicals genutzt wurde. Dahinter lagen die Garagen für den Fuhrpark zur Auslieferung Die Halle A war in den 1950er Jahren das Rückgrat der Serienfertigung. Die vorgefertigten Bauteile wurden aus dem sogenannten U-Bau links hinten (3) und aus den Steinbaracken (6,7) rechts vorne zur Endmontage in die Halle A angeliefert. In der linken Bildmitte (2) ist das 1949 entstandene Verwaltungsgebäude mit Turm sichtbar. Im Dachgeschoß waren die Wohnungen für den Finanzchef und den Entwicklungsleiter untergebracht, in der Bildmitte oben (8) das Laborgebäude. In dem Zweifamilienhaus in der Bildmitte (5) wohnten der Verkaufschef und die Mutter des Firmenchefs. Unten in der Bildmitte an der Ecke Kurgarten-Dr. Mack Straße (4) steht noch das Privathaus eines Fürther Bürgers. Später hat er vor den umgebenden Fabrikgebäuden aufgegeben und verkauft. Die Räume wurden dann für die Patentabteilung genutzt, bevor das ganze Haus für Umbauten an der Straßenfront abgerissen wurde. Oben rechts der ehemalige Eingang zum Kurgelände (9), der noch bis in die 1960er Jahre als Werkseingang genutzt wurde. Das Kurhaus – seinerzeit noch von der Spiegelglas- Union genutzt – ersetzte der Künstler aus optischen Gründen durch ein Wäldchen. Das Bild findet sich heute im Treppenhaus des Rundfunkmuseums. Foto: A. Mayer Auch die Stadt Fürth wurde durch das Kleeblatt-Wappen, von Grundig übernommen, weltbekannt. Die Arbeitskräfte, die zur Aufrechterhaltung des Betriebs notwendig waren, konnten in Fürth und Umgebung nicht mehr rekrutiert werden. Die Folge war eine lange Schlange von Omnibussen an der Dr. Mack und Kurgartenstraße, die zu Beginn und Ende der Arbeitszeit ins Land fuhren, um Arbeitskräfte heranzuschaffen und wieder nach Hause zu bringen, unvorstellbar in der heutigen Situation der Arbeitslosigkeit. Am Ende es Jahres 1950 konnte mit Recht behauptet werden, daß an der Kurgartenstraße Europas größte Spezialfabrik für Rundfunkgeräte stand. Mitte der 1950er Jahre kam auch das ehemalige Kurhaus dazu und wurde später nach einem Umbau Kasino und Chefsitz mit Stabsabteilungen.
Das sind die Reste des ehemaligen Kurgeländes, die auch nach dem neuerlichen Gebäudeabriß geblieben sind: der Kurpark, der Pavillon und darunter die gefaßte Kurquelle. Sie werden Bestandteile des künftigen Uferparks sein. Foto: W. Mayer. Es stellt sich die Frage, warum diese Firma heute nach Insolvenz vor der Zerschlagung in Einzelbereiche steht. Ein Grund ist sicher die völlig veränderte Marktsituation und die Fernost- Konkurrenz. Aber es hat auch an der Energie und Tatkraft eines Max Grundig aus den Erfolgsjahren gefehlt, die später niemand an der Spitze der Firma aufbringen konnte. So bleiben für die Stadt Fürth als Erinnerung die im Zentrum gelegene Grundig-Anlage und das Rundfunkmuseum im früheren Verwaltungsgebäude. Das Firmengelände wurde am 1. Januar 2002 von einer englischen Investitionsfirma übernommen und wird als Uferstadt ausgebaut. In einem parkähnlichen Gelände sollen in Zukunft mehrere Unternehmen angesiedelt werden, teilweise ist dies schon geschehen. Nach Vollendung der Umbaumaßnahmen wird das Rundfunkmuseum ein attraktives Umfeld aufweisen können. Auf vier Etagen sind zahlreiche interessante Ausstellungsstücke zu sehen, die auch dem Laien durch Beschriftung und Demonstration verständlich gemacht werden. Zahlreich sind die von der ehemals großen Firma Grundig hinterlassenen Geräte aus fünf Jahrzehnten. Aber nicht nur die Präsentation von Rundfunkgeräten hat sich das Museum zum Auftrag gemacht. Auch Sonderausstellungen über Künstler, die vorwiegend durch den Rundfunk bekannt wurden, werden gezeigt. Für das fachlich interessierte Publikum gibt es wöchentlich Vortragsveranstaltungen mit Experimenten. Schließlich werden auch für Geburtstagskinder Feiern organisiert, wobei im Museum attraktive Stationen vorbereitet sind, die in einem Ratespiel eingebunden sind. Das Fürther Rundfunkmuseum wird somit ein sehenswerter Teil der entstehenden Uferstadt sein. Walter Mayer |