Alexander Mayer

2004

 

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Neue Architektur im historischen Stadtbild

Die derzeit (2004) in der Diskussion stehenden Projekte des Rathaushotels und des Elektrogroßmarktes werfen die generelle Frage auf, wie ein Neubau im historischen Stadtbild und/ oder im Eingangsbereich einer von historischer Bausubstanz geprägten Stadt aussehen  soll. Zwei Möglichkeiten bieten sich an: Entweder man baut angepasst oder im bewussten Kontrast. Anpassung würde einen (ernsthaften) historistischen Entwurf bedeuten, was aber nicht unbedingt mit „Karstadt- Architektur“ (Nürnberg) gleichzusetzen ist, wenngleich solche Lösungen in Fürth zu Unrecht schlecht geredet werden. In Nürnberg geht man in der Regel vergleichsweise verantwortungsbewusst mit dem historischen Erbe um, nicht jeder egozentrische, noch so misslungene Entwurf kommt zum Zuge, was in Fürth mitunter leider anders ist.

Das Verkaufsgebäude von Saturn in Nürnberg. Foto: A. Mayer.

Historistische Bauweise kann aber auch durchaus spannungsreich sein, wie sich an jüngeren Beispielen - z.B.  Neue Staatsgalerie in Stuttgart oder American Telephone und Telegraph Building in New York - ablesen lässt. Wenn für eine solche Spannung die entsprechenden Architekten und/oder das Geld fehlen, dann ist eine unprätentiöse, angepasste Architektur zumeist die besser Lösung wie die moderne architektonische Formensprache, die in der Regel lediglich geometrische Grundformen mehr oder minder inspiriert variiert.

 Schönfärberisch wird das dann als „klare Form“ verkauft. Dennoch ist prinzipiell nichts gegen einen Bau im bewussten Kontrast einzuwenden, wenn er die Form eines Dialoges historischer Bausubstanz mit heutiger Architektur eingeht, was aber selten genug der Fall ist. Ein bewusster spannungsreicher Kontrast setzt eine gestalterische Idee und gute Architektur voraus. Schlechte Konsumgüter kann man umtauschen, schlechte Architektur hingegen wird die Lebensqualität vieler Menschen über Jahrzehnte beeinträchtigen.

Architektur ist ein öffentliches Gut, bei dem funktionale und ökonomische Argumente nicht das einzige Kaufkriterium sein können. In Fürth ging eine Kombination von alt und neu selten gut, wie die Vielzahl der misslungenen Beispiele und Projekte zeigt: Anbau an das Stadttheater Königstraße 116, Mathildenstraße 26, Amalienstraße 45-47, Saturn, Rathaushotel, Bushaltestation vor Königstraße 82-88 alte Post mit den alten Holzschaltern erinnert oder an das alte Krankenhaus in der Schwabacher Straße und sich die heutigen Bauten betrachtet, dem können nur die Tränen kommen. Selbst die alten Bunkerruinen am Bahnhofsplatz sahen besser aus als das heute dort stehende Hochhaus.

Neu und Alt nebeneinander in der Nürnberger Königstraße (49/51). Der Neubau links ordnet sich gestalterisch dem Neurenaissancebau rechts unter und bleibt im Maßstab, bringt dabei zwar keine eigene Idee ein, was aber in jedem Fall besser ist wie so manche Selbstverwirklichungsorgie eines ungezügelten Planers. Foto: A. Mayer.

Es gibt natürlich auch gelungene Beispiele, so das Haus über dem Bunker in der Mühltalstraße (Unterfarrnbach) oder das Polizeipräsidium an der Kapellenstraße (wenn man von der Farbgebung einmal absieht).

Das Nassauerhaus gilt als einziges in Nürnberg erhaltenes Beispiel eines mittelalterlichen Turmhauses. Von 1973 bis 1978 wurde das Nassauerhaus von Karstadt quasi umbaut. Die Fassadengestaltung löste zuvor leidenschaftliche Diskussionen aus. Zur Vermeidung irreversibler Bausünden einigte man sich auf die konventionelle Sandsteinfassade. In Fürth ist man traditionell weniger vorsichtig. Foto: A. Mayer.

Ein Gebäude in exponierter Lage wird im Guten wie im Schlechten zum Aushängeschild, zur Visitenkarte; es zeigt, wie man sich selbst einschätzt und wie man eingeschätzt werden will. Dies gilt zuvorderst für Gebäude neben den wichtigsten Baudenkmälern (z.B. Rathaus, Stadttheater), aber auch für Bauten an den Eingängen der Stadt, vor allem zur Innenstadt. Ich weiß nicht, ob dies bei entsprechenden Entscheidungen in Fürth auch immer ausreichend bedacht und bewertet wird.

Alexander Mayer