Spagat zwischen Technik und Geschichte
Das Rundfunkmuseum ist das größte deutsche Museum
seiner Art und bestand zum Zeitpunkt des Interviews (2004) seit 11 Jahren. Museumsleiter Gerd Walther (inzwischen a.D.)
stellte sich meinen Fragen.
Herr Walther, welche Zielgruppe visiert das
Rundfunkmuseum an, ist es ein Technikmuseum oder ein Geschichtsmuseum?
Wir wenden uns an ein breites Publikum. Praktisch jeder hat heute mit Radio und
Fernsehen, Ton- und Bildspeicherung zu tun. Und das täglich. Die Besucher
knüpfen auch in erster Linie an Erinnerungswerten an. Eher weniger wollen nur
Technik sehen. Wir zeigen einen Teil der Alltagskultur mit Medien, deren
Bedeutung mit der Zeit immer mehr zunahm. Das hat auch mit Technik zu tun, aber
bei weitem nicht nur.
Entstehen daraus nicht Zielkonflikte bei der
Präsentation?
Im wesentlichen nicht. Wir bemühen uns, die Besucher differenziert anzusprechen.
Unsere Geräteschilder bringen zwar knappe Erläuterungen, weil die Geräte an sich
wirken sollen. Aber man kann sich mit Ton und Bilddokumenten sowie schriftlichem
Material ein Bild über die Zeit machen. Zudem werden an Infostationen
ausführliche Informationen über die ausgestellten Geräte, die Herstellerfirmen
und Grundprobleme der Epoche gegeben. Zudem soll in Zukunft eine Art
Gebrauchsanweisung für das Museum erstellt werden, damit die Besucher auch
unsere vielfältigen Angebote erkennen. Die Sonderausstellungen haben einen ganz
anderen Blickwinkel als die Dauerausstellung.
Gerd Walther leitet das
Rundfunkmuseum Fürth, rechts im Hintergrund Max Grundig als Pappkamerad. Foto:
A. Mayer.
Die Sonderausstellungen zeigen mehr
Programmgeschichte, die Dauerausstellung Geräte und Technik. Ist das nicht
ein Widerspruch?
Nein, ganz und gar nicht. Die Geräte sind sowieso da. Interessant ist doch, was
herausgekommen ist. Auch einen Radio oder Fernseher kauft man sich ja nur aus
diesem Grund. So legen wir bei den Sonderausstellungen einen Schwerpunkt auf den
kommunikativen Aspekt, auf die Programmgeschichte. Bis September 2005 haben wir
als Schwerpunkt die 1940er und 1950er Jahre, Krieg und Nachkriegszeit. Die
Ausstellungen werden durch Vorträge vertieft. Hinzu kommen kleinere
Ausstellungen, die sich beispielsweise mit dem Hörspiel beschäftigen oder
Porträts von Stars der Vergangenheit erstellen.
Können Sie das Konzept anhand einer
Sonderausstellung erläutern?
Die nächste Sonderausstellung beschäftigt sich mit den sog.
Weihnachtsringsendungen in den Jahren 1940 bis 1943. Hier wurde der Anschein
einer Live- Sendung erweckt, in der Soldaten am 24. Dezember mit ihren
Angehörigen daheim zusammengekoppelt waren. Es meldeten sich Soldaten aus ihren
Frontabschnitten, beispielsweise aus Narvik, Kreta, St, Nazaire, Leningrad,
Stalingrad, vom Schwarzmeerhafen Pelsen. Das war aber mit Tonband vorher
aufgezeichnet. Weihnachten wurde hier für die NS-Kriegsführung
instrumentalisiert, die vorgetäuschte Live-Sendung suggerierte einen technischen
Höchststand. Der Rundfunk war das ideale Instrument, eine Volksgemeinschaft, die
Verbindung von Heimat und Front, vorzutäuschen. Die technische Leistung wurde in
den Dienst der Ideologie gestellt.
Die Dauerausstellung legt aber den Schwerpunkt
auf die Technik - also doch ein Technikmuseum?
Nein, die Dauerausstellung zeigt mit vielen Raumensembles Aspekte des
Alltags im 20. Jahrhundert, Wohnzimmer und Zelt, Werkstatt, Radioladen und
vieles mehr. Aber natürlich ist das Radio auch ein technisches Gerät, das wir
erklären und verständlich machen wollen. Hierzu benutzen wir vor allem
Demonstrationsmodelle, die erklären, wie bestimmte Dinge funktionieren. Die
Sonderausstellungen decken eher den Programmbereich und den kommunikativen Teil
ab. Heuer lag der historische Schwerpunkt auf dem 2. Weltkrieg, 2005 wird die
Nachkriegsgeschichte behandelt. Am Beispiel eines „Rundfunkverbrechers“, also
eines Mannes, der wegen Abhörens ausländischer Sender 1941 zu 13 Monaten Haft
verurteilt wurde, zeigen wir, wie man nach 1945 mit so einer Strafe umging. Erst
1958 war der Mann ganz rehabilitiert. Den Denunzianten passierte dagegen nichts,
sie wurden nach dem Krieg nicht belangt.
Heute bestimmt Elektronik unser Leben mehr
denn je. Fehlt hier nicht eine gesonderte, erklärende Präsentation modernster
Unterhaltungs- und Kommunikationselektronik?
Wir sind in allen Bereichen bemüht, die Präsentation bis in die Gegenwart zu
führen. Als beispielsweise die ersten Plasma- Großbildschirme herauskamen,
hatten wir zeitweise für ca. einen Monat ein entsprechendes Gerät, aber zum Kauf
für die Dauerausstellung hätte das um die 25.000.- DM gekostet. Zudem ist die
technologische Entwicklung so schnell, dass wir Informationsdefizite hätten.
Aber letztlich kann man sich modernstes Gerät in jedem Elektrogroßmarkt
anschauen und erklären lassen. Die sind bezüglich der Gegenwart sicher
überlegen, so wie wir bezüglich der Vergangenheit einen Vorsprung haben.
Das Rundfunkmuseum hat außer Ihnen keine
hauptamtlichen wissenschaftlichen Mitarbeiter, im technischen Bereich wird die
Forschung weitgehend von ehrenamtlichen Mitarbeitern übernommen. Wie sieht das
im nationalen Vergleich aus?
Am Museum arbeitet noch eine Museumspädagogin, aber insgesamt gibt es sicher
einen Nachholbedarf, der sich wohl in erster Linie aus der derzeitigen
Finanzlage der Kommunen erklärt. Wir setzen neben unseren hochqualifizierten
ehrenamtlichen Mitarbeitern, die auf eine lange berufliche Tradition
zurückblicken können, auf die Zusammenarbeit mit anderen wissenschaftlichen
Einrichtungen wie dem Deutschen Rundfunkarchiv, universitären Einrichtungen,
etwa dem Institut für Theater- und Medienwissenschaft in Erlangen, oder
Rundfunkanstalten wie den Bayerischen Rundfunk, die ja ein hochwertiges Programm
bieten.
Das Rundfunkmuseum in der
Uferstadt, das ehemalige Direktionsgebäude war früher eng umgeben von
Produktionsstätten aus Grundigs Frühzeit (Halle A, U-Bau),die nun abgerissen
sind. Links hinter den Autos Überreste des ehemaligen Heilbades, rechts das 1964
errichtet Grundig-Verwaltungsgebäude. Foto: A. Mayer.
Die Finanzen sind für eine Kultureinrichtung
in Fürth immer ein besonderes Problem, das jüdische Museum scheint in seiner
Existenz als international anerkannte Institution bedroht. Wie funktioniert das
beim Rundfunkmuseum?
Wir hatten auch diverse wirtschaftliche Schwierigkeiten nach dem Umzug an
die Kurgartenstraße, an denen aber das Museums selbst relativ unschuldig war.
Unser Haushalt wurde jetzt neu geregelt und auf realistische Grundlagen
gestellt. Ich gehe davon aus, dass wir mit dieser Neuregelung leben können. Die
jetzigen Zielvorgaben können wir erreichen. Vorher musste ich einen Grossteil
meiner Arbeitszeit wirtschaftlichen Problemen widmen.
Vor einiger Zeit wurde ein eventueller Umzug
in das Bahnhofsgebäude in die Diskussion gebracht. Wie stehen Sie dazu?
Im Prinzip bin ich für diese Lösung offen, aber es gibt doch einige Probleme. Da
wären einmal die Geräuschbelästigungen durch Züge und Bahnhofsdurchsagen, dann
die Erschütterungen, die bei alten Röhren zum Heizfadenbruch führen können...
... und elektromagnetische Strahlung durch
Starkstromoberleitungen, die Fernseher nicht vertragen.
Ja. Da alles lässt sich mit dem Museum schwierig ein Einklang bringen. Die Stadt
will natürlich die Miete für das jetzige Gebäude sparen. Aber wir haben von
Grundig ein frisch saniertes Gebäude übernommen. Diese Kosten muss man
umrechnen. Der erste Mietvertrag geht bis 2011, dann hat die Stadt noch bis 2021
Optionen. Wie sehen Sie die Stellung des Museums in der nationalen
Museumslandschaft? Dort sind wir angekommen. Wir sind das größte Rundfunkmuseum
im deutschsprachigen Raum und kooperieren mit entsprechenden anderen Museen,
Einrichtungen, Organisationen und Rundfunkanstalten. Auch was unsere
Öffentlichkeitsarbeit betrifft. Für viele Rundfunkanstalten, vor allem die
öffentlichrechtlichen, sind wir für rundfunkhistorische Fragen ein zentraler,
selbstverständlicher Ansprechpartner. Momentan haben wir eine projektbezogene
Zusammenarbeit mit dem WDR, dem MDR und dem BR. Kürzlich wurde für Galileo bei
uns gedreht.
Wie sieht die Stellung des Rundfunkmuseums in
Fürth aus?
Was Fürth anbelangt, habe ich manchmal Zweifel, ob wir bei allen
Verantwortlichen schon angekommen sind. Aber das kann ja noch werden....
Das Interview führte Alexander
Mayer |