Walter Mayer

Fürth 2004

 

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120 Jahre Rundfunkgeschichte im Museum

Am Anfang war das Morsealphabet...
Mitte des 19. Jahrhunderts war die Übermittlung von Nachrichten mit Hilfe des Morsealphabets, das nur aus kurzen und langen Zeichen bestand, an die Verlegung von Kabeln gebunden. Die drahtlose Übertragung konnte seinerzeit nur mit Hilfe von Licht- oder Schallsignalen auf kurze Entfernungen realisiert werden und war außerdem stark wetterabhängig. Um 1865 sagte der geniale englische Physiker James Clerk Maxwell (1831-1879) voraus, dass es ähnlich wie das Licht auch längere Wellen geben müsse, die sich drahtlos ausbreiten und den Dunst der Atmosphäre durchdringen. Dieser Gedanke faszinierte Heinrich Hertz (1857-1894) von der Jugend an. Er war ein begabter Experimentator und hat als Professor in Karlsruhe dann in der zweiten Hälfte der 1880er Jahre die Existenz solcher Wellen unter großem persönlichen Einsatz nachgewiesen. Er wusste, dass elektrische Funken eine rätselhafte Fernwirkung ausüben. Dies ist auch heute durch deren Störwirkung auf den Rundfunkempfang allgemein bekannt.

Eine Originalfotografie der Laborausrüstung von Heinrich Hertz, mit der er 1886 erstmals die drahtlose Ausbreitung elektromagnetischer Wellen nachweisen konnte. Repro: W. Mayer

Er verband deshalb eine solche Funkenentladungsstrecke mit Stäben, wir würden heue von Antennen sprechen. Diese Funken bewirkten dann in entfernten Empfangsstäben gleicher Abmessungen drahtlos Wirkungen, die Hertz als kleine Funken mit Hilfe eines Mikroskops sichtbar machte. Aus dieser Erzeugung und dem Empfang drahtloser Wellen leitete sich die Wortbildung „Funktechnik“ ab. Der so genannte Funkensender war bis in das erste Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts gebräuchlich, weil es keine andere Möglichkeit zur Erzeugung solcher Wellen gab. Auf der Empfangsseite gab es Fortschritte. Zuerst wurde der so genannte Fritterempfänger verwendet, der 1891von dem Franzosen Edouard Branly (1894-1940) erfunden wurde. Ein mit Eisenspänen gefülltes Röhrchen ändert unter dem Einfluss auch schwacher Wellen seinen elektrischen Widerstand, so dass eine Klingel betätigt werden kann und den Empfang anzeigt. Der seltsame Effekt bleibt bis heute ungeklärt und war auch nicht besonders zuverlässig. Damalige Produzenten mussten ihrer Empfängerlieferung sicherheitshalber bis zu 25 solcher Empfangselemente mitgeben.

Um 1900 sah ein handelsüblicher Funkensender nach dem Prinzip von Hertz so aus. Ausstellungsstück im Rundfunkmuseum Fürth. Foto: A. Mayer

Detektor und der Bildröhre
Der Straßburger Professor Karl Ferdinand Braun (1850-1918) schaffte hier bald Abhilfe. Er erinnerte sich an seinen schon 1874 entdeckten Detektor, der sich dann bald in die Empfangstechnik einführte. Dieser bestand aus einem Silberdraht mit federnd auf einem Bleiglanzkristall hergestellten Kontakt und war noch bis in die 1930er Jahre bei einfachen Empfängern gebräuchlich, der Gleichrichtereffekt wird noch heute bei vielen Halbleiterbauelementen verwendet. Braun erfand 1897 auch die Kathodenstrahlröhre, die im Prinzip im heutigen Fernsehempfänger noch verwendet wird. Braun hat sich dann zunehmend dem Ausbau der Funkübertragung gewidmet und war 1903 an der Gründung der neuen Firma Telefunken beteiligt, in der die Fachkräfte von Siemens und AEG zusammengefasst wurden. Das geschah auch unter Druck des damaligen Kaisers Wilhelm II., weil die Funktechnik vor allem für die Seekriegsführung geeignet erschien und vom Konkurrenten England stark gefördert wurde. Der Italiener Guglielmo Marconi (1874-1937), der in seiner Heimat wenig Gehör fand, hatte durch seine englische Mutter gute Verbindungen nach England. Dort wurde er mit offenen Armen empfangen und konnte seinem Erfindertrieb ungestört nachgehen. Er war ein großer Praktiker und konnte schon im Jahre 1901 unter Ausnutzung der Braunschen Erfindungen mit einem Funkensender den Ozean überbrücken. Beide, Marconi und Braun, erhielten für ihre Leistungen 1909 den Nobelpreis.

Die Elektronenröhre
Andere Forscher, wie der Österreicher Robert von Lieben (1878-1913) und der Amerikaner Lee de Forest (1873-1961) suchten nach einer Möglichkeit, die schwachen Empfangssignale zu verstärken. So entstand - von beiden etwa gleichzeitig entwickelt - um 1906 die Elektronenröhre, die elektrische Signale verstärken konnte, sie beherrschte über 60 Jahre die Funktechnik. Insbesondere auch deshalb, weil es 1913 Alexander Meißner (1883- 1958) bei Telefunken gelang, mit der neu geschaffenen Elektronenröhre eine Sender zu bauen. Im nachfolgenden Ersten Weltkrieg wurde über alle Weiterentwicklungen der Mantel des Schweigens ausgebreitet und die Funktechnik hauptsächlich militärisch genutzt. Erst nach dem Krieg wurde bekannt, dass Walter Schottky (1886-1976) währenddessen bedeutende Erfindungen zu Elektronenröhre und Empfängertechnik erarbeitet hatte. Schottky leistete später auch wesentliche Vorarbeiten für den Transistor, der Grundlage moderner Elektronik. Er lebte und forschte später über 30 Jahre in Pretzfeld bei Forchheim.

Verbreitung des Rundfunks
Während in den USA die Verbreitung des Rundfunks sehr liberal gehandhabt wurde, kam in Deutschland erst im Jahre 1923 die offizielle Zulassung für den privaten Gebrauch. Zahlreiche Firmen befassten sich damals mit der Entwicklung von Empfängertypen dieser neuen Technik, zunächst in batteriebetriebener Ausführung, dann für Netzanschluss. In den 1930er Jahren gab es ein großes Angebot in komfortablen Gehäusen, dem Geschmack der damaligen Zeit entsprechend. Nach 1933 gelang es der autoritären Regierung innerhalb kürzester Zeit , die Kenntnisse und Erfahrungen aller deutschen Firmen zusammenzufassen, um einen Billigempfänger zu konstruieren, der den damaligen Stand der Technik repräsentierte, genannt VE 301. Er wurde zueinem festgelegtem Preis von allen Firmen angeboten und war als Volksempfänger ein wichtiges Propagandaelement. Inzwischen war Gesamtdeutschland mit Sendern und einheitlichem Programm überzogen.

Fernsehempfänger der „Tekade“ aus dem Jahre 1930 mit einer mechanisch angetriebenen Lochscheibe (anstatt der später verwandten Bildröhre) zur Erzeugung eines sehr kleinen Fernsehbildes. Repro: W. Mayer.

Erste Fernseher
Schon 1930 kam der Wunsch nach einer Bildübertragung auf. Man erkannte sehr schnell, dass die bis dahin bekannten mechanischen Verfahren nicht zum Ziel führen konnten und erinnerte sich an die Kathodenstrahlröhre, die K.F. Braun schon 1897 erfunden hatte. Mit Weiterentwicklungen von Manfred von Ardenne (1907-1997) und Telefunken entstanden dann die ersten Fernsehempfänger. Die Post legte aufgrund ihrer Funkhoheit immer wieder verbesserte Fernsehnormen (Zeilenzahlen) fest, angepasst an die technische Weiterentwicklung. Schließlich stand 1939 in Deutschland ein Fernsehempfänger auf dem Tisch, der technisch die Weltspitze darstellte. Die Kathodenstrahlröhre zur Bildwiedergabe hatte schon einen rechteckigen Schirm, was nach dem Zweiten Weltkrieg lange nicht mehr beherrscht wurde. Aber leider musste 1939 die Weiterentwicklung und Fertigung kriegsbedingt eingestellt werden.

Wiederaufbau in Deutschland – Erfindung des Transistors in den USA
Nach dem Krieg musste in Deutschland improvisiert werden. Alte Radios mussten mit den vorhandenen Mitteln aus ehemaligen Wehrmachtsbeständen repariert werden, neue Radios wurden mit den gleichen Mitteln zusammengebastelt. Aber nach wenigen Jahren bescherte das Wirtschaftswunder eine bunte Vielfalt von Empfangsgeräten, die auch bald für den Ultrakurzwellenfunk tauglich waren. Ende 1947 wurde in den USBell Laboratories von William Shockley (1910-1989), John Bardeen (1908-1991) und Walter Brattain (1902-1987) der Transistor entdeckt, wofür sie 1956 gemeinsam den Nobelpreis erhielten. Der Transistor kann wie die Elektronenröhre als Verstärker und Schalter technisch angewendet werden. Die Vorarbeiten von W. Schottky in Deutschland spielten dabei eine wesentliche Rolle. Auch wurde der Effekt schon 1926 von dem deutschjüdischen Physiker Julius Lilienfeld (1881-1963) beschrieben, blieb aber damals unbeachtet. Etwa 10 Jahre nach 1947 hat es noch gedauert, bis der Transistor in der Fertigung beherrscht wurde, ab etwa 1960 begann sein Siegeszug, der bis heute die Elektronenröhre fast vollständig verdrängt hat. Die Gründe liegen in den kleineren Abmessungen, in der billigen Herstellung und dem geringeren Energieverbrauch. Nur als Bildröhre, in der Sendertechnik, bei Verstärkern für manche Musikinstrumente und bei Hochpreis- eräten für Audio- Fans spielt sie noch eine Rolle. Der ursprüngliche Transistor wurde dann noch als so genannter Feldeffekt-Transistor weiterentwickelt. Auf diesem Wege war es dann möglich, das Verstärker- oder Schaltelement auf Abmessungen bis zu 1/10000 Millimeter zu reduzieren. Mit dieser Technik wurden dann so genannte Integrierte Schaltkreise (ICs) möglich, bei denen auf Flächengrößen von weniger als ein Quadratzentimeter Tausende von Einzelelementen untergebracht werden konnten, was erst die kompakte Bauweise von Computern oder Handys ermöglichte. In knapp 100 Jahren ist damit von der Elektronenröhre zum Integrierten Schaltkreis ein enormer Fortschritt erreicht worden.

Farbfernsehen
Gedrängt durch das Farbbild des Kinos war auch beim Fernsehen zwischen 1960 und 1970 die Einführung der Farbe ein neues Ziel. Es war schon bekannt, dass mit drei passend gewählten Grundfarben jede farbige Nuance, die in der Natur vorkommt, dargestellt werden kann. Das neu einzuführende Farbsystem musste wegen der in großer Zahl vorhandene Schwarzweißempfänger mit diesen verträglich sein. Umgekehrt musste der Farbempfänger das Signal der Schwarz-Weiß-Sendung empfangen. Diese Aufgabe wurde Kompatibilität und Rekompatibilität genannt. Amerikanische Forscher lösten das schwierige Problem im so genannten NTSC System. Der deutsche Erfinder Walter Bruch (1908-1990) bei Telefunken präsentierte 1962 eine weitere Verbesserung, die größere Übertragungssicherheit gewährleistete. Das amerikanische NTSC System wurde damit zu PAL erweitert und ist bis heute – immerhin 40 Jahre später – in Europa gebräuchlich.

Eine Röhre „Made in China“ in einem „High-End“ Mikrofonverstärker „Made
in USA“, Baujahr 2004. Elektronenröhren für Verstärker werden praktisch
nur noch in osteuropäischen Staaten und in China hergestellt. Foto:
A. Mayer

Tonband und Video
Ein besonderes Kapitel ist der Aufzeichnung von Ton- und Bildsignalen zu widmen. Beide Aufzeichnungsarten sind für die Rundfunktechnik in Studio und Heim wichtig, um den Zeitversatz zu ermöglichen, also die zeitliche Trennung von Aufnahme und Wiedergabe. Hierzu stand schon lange vor der Einführung des Rundfunks zur Tonaufzeichnung die Schallplatte zur Verfügung. Hierbei überträgt ein Stichel durch mechanische Bewegungen den Schall in eine zur Spur seitliche Gravur, die dann - ebenfalls mechanisch - wieder abgenommen und in den Ton zurückverwandelt werden kann. Für die Umwandlung der mechanischen Bewegung in den Schall (und umgekehrt bei der Aufnahme) sorgten dabei im Laufe der Entwicklung immer wieder verbesserte Elemente. Die begrenzte Leistungsfähigkeit der Schallplatte war der Auslöser für die Tonbandtechnik, also der magnetischen Aufzeichnung des Signals. Die Magnetisierung einer Eisenschicht auf einem Kunststoffband speichert den Ton. Die Aufzeichnung ist löschbar, das Band wieder verwendbar. Wesentlich zur Realisierung dieses Verfahrens hatte Mitte der 1930er Jahre der Erfinder Eduard Schüller (1904-1976) - dem Verfasser noch persönlich bekannt - bei der Firma AEG beigetragen, obwohl der Effekt der magnetischen Speicherung schon lange bekannt war. Durch Verbesserung der Aufzeichnungsköpfe und der Bandes wurde das Verfahren perfektioniert, auch für den Heimgebrauch. Ungelöst war noch die Aufzeichnung von Bildsignalen, weil die mehr als hundertfach höhere Signaldichte zu einer sehr hohen, nicht mehr beherrschbaren Bandgeschwindigkeit geführt hätte. Die erste Idee kam etwa 1955 aus den USA von der Firma Ampex. Nicht mehr das Band, sondern der Magnetkopf bewegte sich mit der erforderlich hohen Geschwindigkeit und die Magnetspuren entstanden als Teil eines Bildes quer zur Bewegungsrichtung des Bandes mit Kopfgeschwindigkeiten von 140 Kilometer pro Stunde. Die Bedienung einer solchen Maschine war äußerst schwierig, sie kam deshalb für den Heimgebrauch nicht in Frage. Hier setzte wieder eine Idee von Eduard Schüller von 1953 ein, die dann weltweit bei Videorekordern verwendet wurde. Das Magnetband wurde um eine Trommel geführt, in der auf einer Scheibe und durch einen Schlitz der Magnetkopf rotiert. Es entstehen so schräge Spuren auf dem Band, lang genug, um ein komplettes Bildsignal ohne Unterbrechung aufzuzeichnen.

Ein vertikaler Schnitt durch einen modernen Fernsehempfänger. Das wesentliche
Bauteil ist die Bildröhre, die elektronische Schaltung links unten nimmt nur noch
begrenzten Platz ein, weil weitgehend Integrierte Schaltkreise verwendet werden.
Ausstellungsstück im Rundfunkmuseum. Foto: A. Mayer.

CD und DVD
 Der Nachteil der magnetischen Signalaufzeichnung ist die notwendige Berührung zwischen Band und Magnetkopf, die natürlich einen gewissen Abrieb mit sich bringt. Außerdem ist das Auffinden bestimmter Aufnahmepositionen mit einem zeitaufwendigen Umspulvorgang verbunden. Es war deshalb ein erheblicher Fortschritt, als man die berührungslose Aufzeichnung und Abtastung auf einer Platte beherrschen lernte, heute als CD (für Ton) oder DVD (für Bild) -Spieler gebräuchlich. Bei dieser digitalen Technik wird mit Hilfe eines Laserstrahls die Information auf der Oberfläche einer Platte eingebrannt und auch wieder abgetastet, wobei das reflektierte
Licht genutzt wird. Die digitale Technik bringt nicht nur bei der Signalaufzeichnung Vorteile. Sie ist im Vergleich zur konventionellen Analogtechnik viel unempfindlicher gegen Störungen, auch bei drahtloser Übertragung. Sie wird deshalb bei Handys, aber auch zunehmend im Ton- und Fernsehrundfunk angewandt. Die Informationen für Ton und Bild werden nicht in analogen Schwingungen, sondern als 0 oder 1 Signal („binärer Code“) übertragen bzw. gespeichert, ähnlich wie beim Morsealphabet der Anfangszeit.
Alle beschriebenen Entwicklungsschritte werden im Rundfunkmuseum durch ausgestellte Objekte anschaulich dargestellt.

Walter Mayer