120 Jahre Rundfunkgeschichte im Museum
Am Anfang war das Morsealphabet...
Mitte des 19. Jahrhunderts war die Übermittlung von Nachrichten mit Hilfe
des Morsealphabets, das nur aus kurzen und langen Zeichen bestand, an die
Verlegung von Kabeln gebunden. Die drahtlose Übertragung konnte seinerzeit nur
mit Hilfe von Licht- oder Schallsignalen auf kurze Entfernungen realisiert
werden und war außerdem stark wetterabhängig. Um 1865 sagte der geniale
englische Physiker James Clerk Maxwell (1831-1879) voraus, dass es ähnlich wie
das Licht auch längere Wellen geben müsse, die sich drahtlos ausbreiten und den
Dunst der Atmosphäre durchdringen. Dieser Gedanke faszinierte Heinrich Hertz
(1857-1894) von der Jugend an. Er war ein begabter Experimentator und hat als
Professor in Karlsruhe dann in der zweiten Hälfte der 1880er Jahre die Existenz
solcher Wellen unter großem persönlichen Einsatz nachgewiesen. Er wusste, dass
elektrische Funken eine rätselhafte Fernwirkung ausüben. Dies ist auch heute
durch deren Störwirkung auf den Rundfunkempfang allgemein bekannt.
Eine Originalfotografie der
Laborausrüstung von Heinrich Hertz, mit der er 1886 erstmals die drahtlose
Ausbreitung elektromagnetischer Wellen nachweisen konnte. Repro: W. Mayer
Er verband deshalb eine solche
Funkenentladungsstrecke mit Stäben, wir würden heue von Antennen sprechen. Diese
Funken bewirkten dann in entfernten Empfangsstäben gleicher Abmessungen drahtlos
Wirkungen, die Hertz als kleine Funken mit Hilfe eines Mikroskops sichtbar
machte. Aus dieser Erzeugung und dem Empfang drahtloser Wellen leitete sich die
Wortbildung „Funktechnik“ ab. Der so genannte Funkensender war bis in das erste
Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts gebräuchlich, weil es keine andere Möglichkeit
zur Erzeugung solcher Wellen gab. Auf der Empfangsseite gab es Fortschritte.
Zuerst wurde der so genannte Fritterempfänger verwendet, der 1891von dem
Franzosen Edouard Branly (1894-1940) erfunden wurde. Ein mit Eisenspänen
gefülltes Röhrchen ändert unter dem Einfluss auch schwacher Wellen seinen
elektrischen Widerstand, so dass eine Klingel betätigt werden kann und den
Empfang anzeigt. Der seltsame Effekt bleibt bis heute ungeklärt und war auch
nicht besonders zuverlässig. Damalige Produzenten mussten ihrer
Empfängerlieferung sicherheitshalber bis zu 25 solcher Empfangselemente
mitgeben.
Um 1900 sah ein handelsüblicher
Funkensender nach dem Prinzip von Hertz so aus. Ausstellungsstück im
Rundfunkmuseum Fürth. Foto: A. Mayer
Detektor und der Bildröhre
Der Straßburger Professor Karl Ferdinand Braun (1850-1918) schaffte hier
bald Abhilfe. Er erinnerte sich an seinen schon 1874 entdeckten Detektor, der
sich dann bald in die Empfangstechnik einführte. Dieser bestand aus einem
Silberdraht mit federnd auf einem Bleiglanzkristall hergestellten Kontakt und
war noch bis in die 1930er Jahre bei einfachen Empfängern gebräuchlich, der
Gleichrichtereffekt wird noch heute bei vielen Halbleiterbauelementen verwendet.
Braun erfand 1897 auch die Kathodenstrahlröhre, die im Prinzip im heutigen
Fernsehempfänger noch verwendet wird. Braun hat sich dann zunehmend dem Ausbau
der Funkübertragung gewidmet und war 1903 an der Gründung der neuen Firma
Telefunken beteiligt, in der die Fachkräfte von Siemens und AEG zusammengefasst
wurden. Das geschah auch unter Druck des damaligen Kaisers Wilhelm II., weil die
Funktechnik vor allem für die Seekriegsführung geeignet erschien und vom
Konkurrenten England stark gefördert wurde. Der Italiener Guglielmo Marconi
(1874-1937), der in seiner Heimat wenig Gehör fand, hatte durch seine englische
Mutter gute Verbindungen nach England. Dort wurde er mit offenen Armen empfangen
und konnte seinem Erfindertrieb ungestört nachgehen. Er war ein großer Praktiker
und konnte schon im Jahre 1901 unter Ausnutzung der Braunschen Erfindungen mit
einem Funkensender den Ozean überbrücken. Beide, Marconi und Braun, erhielten
für ihre Leistungen 1909 den Nobelpreis.
Die Elektronenröhre
Andere Forscher, wie der Österreicher Robert von Lieben (1878-1913) und der
Amerikaner Lee de Forest (1873-1961) suchten nach einer Möglichkeit, die
schwachen Empfangssignale zu verstärken. So entstand - von beiden etwa
gleichzeitig entwickelt - um 1906 die Elektronenröhre, die elektrische Signale
verstärken konnte, sie beherrschte über 60 Jahre die Funktechnik. Insbesondere
auch deshalb, weil es 1913 Alexander Meißner (1883- 1958) bei Telefunken gelang,
mit der neu geschaffenen Elektronenröhre eine Sender zu bauen. Im nachfolgenden
Ersten Weltkrieg wurde über alle Weiterentwicklungen der Mantel des Schweigens
ausgebreitet und die Funktechnik hauptsächlich militärisch genutzt. Erst nach
dem Krieg wurde bekannt, dass Walter Schottky (1886-1976) währenddessen
bedeutende Erfindungen zu Elektronenröhre und Empfängertechnik erarbeitet hatte.
Schottky leistete später auch wesentliche Vorarbeiten für den Transistor, der
Grundlage moderner Elektronik. Er lebte und forschte später über 30 Jahre in
Pretzfeld bei Forchheim.
Verbreitung des Rundfunks
Während in den USA die Verbreitung des Rundfunks sehr liberal gehandhabt
wurde, kam in Deutschland erst im Jahre 1923 die offizielle Zulassung für den
privaten Gebrauch. Zahlreiche Firmen befassten sich damals mit der Entwicklung
von Empfängertypen dieser neuen Technik, zunächst in batteriebetriebener
Ausführung, dann für Netzanschluss. In den 1930er Jahren gab es ein großes
Angebot in komfortablen Gehäusen, dem Geschmack der damaligen Zeit entsprechend.
Nach 1933 gelang es der autoritären Regierung innerhalb kürzester Zeit , die
Kenntnisse und Erfahrungen aller deutschen Firmen zusammenzufassen, um einen
Billigempfänger zu konstruieren, der den damaligen Stand der Technik
repräsentierte, genannt VE 301. Er wurde zueinem festgelegtem Preis von allen
Firmen angeboten und war als Volksempfänger ein wichtiges Propagandaelement.
Inzwischen war Gesamtdeutschland mit Sendern und einheitlichem Programm
überzogen.
Fernsehempfänger der „Tekade“
aus dem Jahre 1930 mit einer mechanisch angetriebenen Lochscheibe (anstatt der
später verwandten Bildröhre) zur Erzeugung eines sehr kleinen Fernsehbildes.
Repro: W. Mayer.
Erste Fernseher
Schon 1930 kam der Wunsch nach einer Bildübertragung auf. Man erkannte sehr
schnell, dass die bis dahin bekannten mechanischen Verfahren nicht zum Ziel
führen konnten und erinnerte sich an die Kathodenstrahlröhre, die K.F. Braun
schon 1897 erfunden hatte. Mit Weiterentwicklungen von Manfred von Ardenne
(1907-1997) und Telefunken entstanden dann die ersten Fernsehempfänger. Die Post
legte aufgrund ihrer Funkhoheit immer wieder verbesserte Fernsehnormen
(Zeilenzahlen) fest, angepasst an die technische Weiterentwicklung. Schließlich
stand 1939 in Deutschland ein Fernsehempfänger auf dem Tisch, der technisch die
Weltspitze darstellte. Die Kathodenstrahlröhre zur Bildwiedergabe hatte schon
einen rechteckigen Schirm, was nach dem Zweiten Weltkrieg lange nicht mehr
beherrscht wurde. Aber leider musste 1939 die Weiterentwicklung und Fertigung
kriegsbedingt eingestellt werden.
Wiederaufbau in Deutschland – Erfindung des
Transistors in den USA
Nach dem Krieg musste in Deutschland improvisiert werden. Alte Radios
mussten mit den vorhandenen Mitteln aus ehemaligen Wehrmachtsbeständen repariert
werden, neue Radios wurden mit den gleichen Mitteln zusammengebastelt. Aber nach
wenigen Jahren bescherte das Wirtschaftswunder eine bunte Vielfalt von
Empfangsgeräten, die auch bald für den Ultrakurzwellenfunk tauglich waren. Ende
1947 wurde in den USBell Laboratories von William Shockley (1910-1989), John
Bardeen (1908-1991) und Walter Brattain (1902-1987) der Transistor entdeckt,
wofür sie 1956 gemeinsam den Nobelpreis erhielten. Der Transistor kann wie die
Elektronenröhre als Verstärker und Schalter technisch angewendet werden. Die
Vorarbeiten von W. Schottky in Deutschland spielten dabei eine wesentliche
Rolle. Auch wurde der Effekt schon 1926 von dem deutschjüdischen Physiker Julius
Lilienfeld (1881-1963) beschrieben, blieb aber damals unbeachtet. Etwa 10 Jahre
nach 1947 hat es noch gedauert, bis der Transistor in der Fertigung beherrscht
wurde, ab etwa 1960 begann sein Siegeszug, der bis heute die Elektronenröhre
fast vollständig verdrängt hat. Die Gründe liegen in den kleineren Abmessungen,
in der billigen Herstellung und dem geringeren Energieverbrauch. Nur als
Bildröhre, in der Sendertechnik, bei Verstärkern für manche Musikinstrumente und
bei Hochpreis- eräten für Audio- Fans spielt sie noch eine Rolle. Der
ursprüngliche Transistor wurde dann noch als so genannter Feldeffekt-Transistor
weiterentwickelt. Auf diesem Wege war es dann möglich, das Verstärker- oder
Schaltelement auf Abmessungen bis zu 1/10000 Millimeter zu reduzieren. Mit
dieser Technik wurden dann so genannte Integrierte Schaltkreise (ICs) möglich,
bei denen auf Flächengrößen von weniger als ein Quadratzentimeter Tausende von
Einzelelementen untergebracht werden konnten, was erst die kompakte Bauweise von
Computern oder Handys ermöglichte. In knapp 100 Jahren ist damit von der
Elektronenröhre zum Integrierten Schaltkreis ein enormer Fortschritt erreicht
worden.
Farbfernsehen
Gedrängt durch das Farbbild des Kinos war auch beim Fernsehen zwischen 1960
und 1970 die Einführung der Farbe ein neues Ziel. Es war schon bekannt, dass mit
drei passend gewählten Grundfarben jede farbige Nuance, die in der Natur
vorkommt, dargestellt werden kann. Das neu einzuführende Farbsystem musste wegen
der in großer Zahl vorhandene Schwarzweißempfänger mit diesen verträglich sein.
Umgekehrt musste der Farbempfänger das Signal der Schwarz-Weiß-Sendung
empfangen. Diese Aufgabe wurde Kompatibilität und Rekompatibilität genannt.
Amerikanische Forscher lösten das schwierige Problem im so genannten NTSC
System. Der deutsche Erfinder Walter Bruch (1908-1990) bei Telefunken
präsentierte 1962 eine weitere Verbesserung, die größere Übertragungssicherheit
gewährleistete. Das amerikanische NTSC System wurde damit zu PAL erweitert und
ist bis heute – immerhin 40 Jahre später – in Europa gebräuchlich.
Eine Röhre „Made in China“ in
einem „High-End“ Mikrofonverstärker „Made
in USA“, Baujahr 2004. Elektronenröhren für Verstärker werden praktisch
nur noch in osteuropäischen Staaten und in China hergestellt. Foto:
A. Mayer
Tonband und Video
Ein besonderes Kapitel ist der Aufzeichnung von Ton- und Bildsignalen zu widmen.
Beide Aufzeichnungsarten sind für die Rundfunktechnik in Studio und Heim
wichtig, um den Zeitversatz zu ermöglichen, also die zeitliche Trennung von
Aufnahme und Wiedergabe. Hierzu stand schon lange vor der Einführung des
Rundfunks zur Tonaufzeichnung die Schallplatte zur Verfügung. Hierbei überträgt
ein Stichel durch mechanische Bewegungen den Schall in eine zur Spur seitliche
Gravur, die dann - ebenfalls mechanisch - wieder abgenommen und in den Ton
zurückverwandelt werden kann. Für die Umwandlung der mechanischen Bewegung in
den Schall (und umgekehrt bei der Aufnahme) sorgten dabei im Laufe der
Entwicklung immer wieder verbesserte Elemente. Die begrenzte Leistungsfähigkeit
der Schallplatte war der Auslöser für die Tonbandtechnik, also der magnetischen
Aufzeichnung des Signals. Die Magnetisierung einer Eisenschicht auf einem
Kunststoffband speichert den Ton. Die Aufzeichnung ist löschbar, das Band wieder
verwendbar. Wesentlich zur Realisierung dieses Verfahrens hatte Mitte der 1930er
Jahre der Erfinder Eduard Schüller (1904-1976) - dem Verfasser noch persönlich
bekannt - bei der Firma AEG beigetragen, obwohl der Effekt der magnetischen
Speicherung schon lange bekannt war. Durch Verbesserung der Aufzeichnungsköpfe
und der Bandes wurde das Verfahren perfektioniert, auch für den Heimgebrauch.
Ungelöst war noch die Aufzeichnung von Bildsignalen, weil die mehr als
hundertfach höhere Signaldichte zu einer sehr hohen, nicht mehr beherrschbaren
Bandgeschwindigkeit geführt hätte. Die erste Idee kam etwa 1955 aus den USA von
der Firma Ampex. Nicht mehr das Band, sondern der Magnetkopf bewegte sich mit
der erforderlich hohen Geschwindigkeit und die Magnetspuren entstanden als Teil
eines Bildes quer zur Bewegungsrichtung des Bandes mit Kopfgeschwindigkeiten von
140 Kilometer pro Stunde. Die Bedienung einer solchen Maschine war äußerst
schwierig, sie kam deshalb für den Heimgebrauch nicht in Frage. Hier setzte
wieder eine Idee von Eduard Schüller von 1953 ein, die dann weltweit bei
Videorekordern verwendet wurde. Das Magnetband wurde um eine Trommel geführt, in
der auf einer Scheibe und durch einen Schlitz der Magnetkopf rotiert. Es
entstehen so schräge Spuren auf dem Band, lang genug, um ein komplettes
Bildsignal ohne Unterbrechung aufzuzeichnen.
Ein vertikaler Schnitt durch
einen modernen Fernsehempfänger. Das wesentliche
Bauteil ist die Bildröhre, die elektronische Schaltung links unten nimmt nur
noch
begrenzten Platz ein, weil weitgehend Integrierte Schaltkreise verwendet werden.
Ausstellungsstück im Rundfunkmuseum. Foto: A. Mayer.
CD und DVD
Der Nachteil der magnetischen Signalaufzeichnung ist die notwendige
Berührung zwischen Band und Magnetkopf, die natürlich einen gewissen Abrieb mit
sich bringt. Außerdem ist das Auffinden bestimmter Aufnahmepositionen mit einem
zeitaufwendigen Umspulvorgang verbunden. Es war deshalb ein erheblicher
Fortschritt, als man die berührungslose Aufzeichnung und Abtastung auf einer
Platte beherrschen lernte, heute als CD (für Ton) oder DVD (für Bild) -Spieler
gebräuchlich. Bei dieser digitalen Technik wird mit Hilfe eines Laserstrahls die
Information auf der Oberfläche einer Platte eingebrannt und auch wieder
abgetastet, wobei das reflektierte
Licht genutzt wird. Die digitale Technik bringt nicht nur bei der
Signalaufzeichnung Vorteile. Sie ist im Vergleich zur konventionellen
Analogtechnik viel unempfindlicher gegen Störungen, auch bei drahtloser
Übertragung. Sie wird deshalb bei Handys, aber auch zunehmend im Ton- und
Fernsehrundfunk angewandt. Die Informationen für Ton und Bild werden nicht in
analogen Schwingungen, sondern als 0 oder 1 Signal („binärer Code“) übertragen
bzw. gespeichert, ähnlich wie beim Morsealphabet der Anfangszeit.
Alle beschriebenen Entwicklungsschritte werden im Rundfunkmuseum durch
ausgestellte Objekte anschaulich dargestellt.
Walter Mayer |