Bernhard Purin

Fürth 1999

 


 

Das Jüdische Museum Franken in Fürth

Im Sommer dieses Jahres erhielt der Fürther Rathausturm Konkurrenz. Schräg gegenüber, vor dem Haus Königstraße 89 ragt eine neun Meter hohe, leuchtende Glasstele empor und verweist darauf, daß sich hinter der unscheinbaren Sandsteinfassade aus dem 18. Jahrhundert ein neuer Anziehungspunkt der Fürther Altstadt befindet: Das Jüdische Museum Franken in Fürth.

Bereits 1996 wurde das Jüdische Museum Franken in Schnaittach als erster Abschnitt des vom Bezirk Mittelfranken, der Stadt Fürth, dem Landkreis Nürnberger Land und der Marktgemeinde Schnaittach getragenen Jüdischen Museums Franken - Fürth und Schnaittach in Betrieb genommen. Mit der feierlichen Eröffnung des Fürther Hauses am 15. Juli 1999 in Anwesenheit von Bundespräsident Johannes Rau, Ministerpräsident Edmund Stoiber und dem Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland, Ignatz Bubis s.A. konnte nun die Aufbauphase des Museums abgeschlossen werden.

Das Museum ­ eine (fast) endlose Geschichte

Als Ende der achtziger Jahre der Entschluß gefaßt wurde, ein Jüdisches Museum in Mittelfranken zu errichten, fiel die Wahl auf die zwei Standorte Schnaittach und Fürth. Während in Schnaittach die 1570 errichtete Synagoge mit Rabbiner- und Vorsängerhaus zur Verfügung stand, erwarb die Stadt Fürth für diesen Zweck ein Haus, das in seinem Kern auf das beginnende 18. Jahrhundert zurückgeht. Bis ins späte 19. Jahrhundert war es fast durchgehend im Besitz jüdischer Familien. Unter den frühen Eigentümern befand sich die Hoffaktorenfamilie Fromm, die verwandtschaftliche Beziehungen mit anderen Hofjuden wie den Models in Ansbach oder den Oppenheimers in Heidelberg, Stuttgart und Wien verband. Die prächtige Ausstattung des Hauses mit Stuckdecken, einer historischen Laubhütte und einem Ritualbad im Keller des Hauses ist Zeugnis dieser Zeit.

Der Aufbau des Museums war von vielerlei Rückschlägen begleitet. Der Zustand des Anwesens in der Königstraße erwies sich schlechter als erwartet. Die bei Beginn der Baumaßnahme festgestellte Quecksilberverseuchung führte zu Mehrkosten und zur weiteren Verzögerung des Umbaus. Auch der Trägerverein des Jüdischen Museums als künftiger Betreiber des Hauses hatte in seiner Anfangsphase mit erheblichen - vor allem personalbedingten - Schwierigkeiten zu kämpfen. Dennoch bestand über die Jahre ein breiter politischer und gesellschaftlicher Konsens darüber, daß ein Jüdisches Museum in Fürth gewollt ist. Allerdings waren die Vorstellungen, wie dieses Museum sich nach seiner Fertigstellung präsentieren soll, äußerst vielfältig und widersprüchlich, was die Arbeit an der Realisierung nicht eben erleichterte.

Hinter der für Fürth typischen gußeisernen Ladenfassade bietet die Literaturhandlung" eine reiche Auswahl an Büchern, CDs und Ritualobjekten. Foto: Reinhard Thielsch

Ein offenes Konzept

Bei der Konzeption des Museums konnte auf Erfahrungen ähnlicher Projekte im In- und Ausland zurückgegriffen werden. Die große Zahl von Neugründungen Jüdischer Museen (seit 1987 wurde neben den größeren Museen in Amsterdam, Berlin, Frankfurt/M., London, Paris und Wien eine mittlerweile fast unüberschaubare Zahl kleiner und kleinster Jüdischer Museen errichtet) hat zu neuen Erkenntnissen über Möglichkeiten und Grenzen der Darstellbarkeit jüdischer Geschichte und Kultur geführt, die dem Fürther Projekt zugute kamen.

Im Kernbereich des zum Museum umgebauten Wohnhauses wurde ein inhaltliches und gestalterisches Konzept umgesetzt, bei dem an Stelle der herkömmlichen Trennung von Dauer- und Wechselausstellungsbereich eine flexible Nutzung tritt. Ein längerfristig bestehendes "Gerüst" zur Geschichte und Kultur der Juden in Fürth und Franken ist der Kern dieses Ausstellungsbereichs: In einer teils chronologischen, teils thematischen Anordnung spannen siebzehn Themenstationen den Bogen vom Mittelalter bis in die Gegenwart jüdischen Lebens, von jüdischer Religiosität bis hin zum Alltagsleben mit seinen Licht- und Schattenseiten. Als Leitobjekte jeder dieser Stationen dienen Bücher als Verweis auf die zentrale Bedeutung der Schriftlichkeit im Judentum und als Reverenz an den bedeutenden hebräischen Druckort Fürth. Die Bandbreite reicht von einem mittelalterlichen Handschriftenfragment über Fürther Drucke des 17., 18. und frühen 19. Jahrhunderts und Jakob Wassermanns "Mein Weg als Deutscher und Jude" bis hin zu einem 1946 in Bayern gedruckten Talmud. Diesen Leitobjekten werden jeweils weitere Exponate zugeordnet, die den Inhalt und die Botschaft des Leitobjekts illustrieren. An vielen Stellen thematisiert das Museum die Schoa, die Ermordung von sechs Millionen Juden durch Deutsche in diesem Jahrhundert. Es versteht sich aber nicht als Holocaust-Museum. Die Schoa hat einen deutlichen Bruch verursacht, dennoch gibt es in Deutschland seit 1945 wieder jüdisches Leben und damit auch jüdische Geschichte, der mehrere Themenstationen gewidmet sind. So kann sich der Besucher über die in den ersten Nachkriegsjahren in Bayern lebenden jüdischen displaced persons", über der Wiederaufbau der Israelitischen Kultusgemeinde in Fürth, über Emigranten und ihre Beziehung zur verlorenen Heimat informieren. Eine letzte Station wagt schließlich einen Blick in die Zukunft: Jüdische Einwanderer aus den GUS-Staaten erzählen in Interviews über ihre Erfahrungen und über ihre Erwartungen an ein Leben in Deutschland.

Der ausstellungsgestaltende Architekt (Martin Kohlbauer, Wien) hat auf diese konzeptionellen Vorgaben mit der Entwicklung eines mobilen Ausstellungssystems reagiert, dessen markanteste Elemente transluzide, raumhohe Glasstelen bilden. Sie nehmen nicht nur die Leitobjekte der einzelnen Themenstationen auf, sondern dienen auch als Textträger und Beleuchtungstürme" für die weiteren Objekte der einzelnen Abteilungen, die sich auf beweglichen Wandelementen befinden. Zusammen visualisieren sie das inhaltliche Gerüst der Ausstellung, das mit der unvermindert ablesbaren baulichen Struktur des historischen Gebäudes überlagert wird. Verdeutlicht wird dieses Spannungsfeld durch die Material- und Lichtkonzeption der neu definierten Räume. Das Gestaltungskonzept setzt auf den Kontrast zwischen alt und neu. Den Ausstellungselementen dient ein neu eingebrachter, grauer Kautschukbelag als Träger, von dem aus sich die neuen Elemente entwickeln und die historischen Oberflächen des Baudenkmals unberührt lassen.

Die Themenstation "Synagoge" mit Objekten aus der Sammlung Gundelfinger. Foto: Reinhard Thielsch

Ausstellungen und Andockungen

An jede der Themenstationen können kleine Sonderausstellungen als Vertiefungsebene angedockt" werden. Als Andockung" verstehen wir kleinere Ausstellungen, die in Bezug zu einer der siebzehn Stationen stehen, deren Themen sie ergänzen, vertiefen oder in andere Interpretationszusammenhänge stellen. Jährlich sind fünf bis sechs solcher Ausstellungen zu sehen, deren Laufzeiten sich teilweise überschneiden. Diese Form des ständigen Sich-Veränderns bietet eine Reihe von Vorteilen: Für das Museumsteam bedeutet diese Form des Ausstellungmachens eine ständige Auseinandersetzung mit der Dauerausstellung, die damit nicht zu Gunsten spektakulärer Sonderausstellungen vernachläßigt wird. Themen, die eine große Ausstellung inhaltlich nicht tragen würden, können den Besuchern vermittelt werden. Da das Jüdische Museum Franken als Neugründung nur auf einen relativ kleinen Sammlungsbestand zurückgreifen kann, bieten Andockungen Gelegenheit, für gewisse Zeit Leihgaben an das Museum zu binden. Den Besuchern wird damit die Möglichkeit geboten, auch bei wiederholten Besuchen sich mit der Dauerausstellung auseinanderzusetzten und dabei immer wieder auf neue Aspekte zu stoßen. Gerade dieser Versuch einer dauerhaften Bindung potentieller Museumsbesucher an das Haus könnte sich als eine Investition in die Zukunft erweisen.

Für die erste Jahreshälfte 2000 sind vier solcher Andockungen geplant. Den Auftakt macht eine Präsentation zum Jüdischen Kulturbund Nürnberg-Fürth", der jüdischen Künstlern seit 1933 die einzige Auftrittsmöglichkeit bot. Als Ergänzung einer größeren Ausstellung über den 1919 in Fürth geborenen niederländischen Grafikdesigner Otto Treumann erinnert eine weitere Andockung an dessen Mutter, die Fotografin Babette Treumann, die 1943 im Vernichtungslager Sobibor ermordet wurde. Einer in Fürth bisher unbekannten, aber für das progressive Judentum in den USA herausragenden Persönlichkeit ist eine Andockung im Themenbereich Emanzipation" gewidmet. Der 1843 in Fürth geborene Rabbiner Dr. Kaufmann Kohler war als langjähriger Rektor des Hebrew Union College" in Cincinnati einer der einflußreichsten Führer des Reformjudentums.

Ein Höhepunkt des Ausstellungsprogramms wird eine sich über mehrere Themenstationen und Räume hinziehende Andockung sein, die mit finanzieller Unterstützung des Altstadtvereins Fürth durchgeführt werden kann: Synagogen in Fürth" versucht erstmals eine Bestandsaufnahme der zahlreichen Synagogen und Betstuben im einstigen bayerischen Jerusalem" zu geben.

Zitate des in Fürth geborenen Schriftstellers Jakob Wassermann (1873-1934) zeichnen ein resigniertes Bild der Beziehung zwischen Deutschen und Juden nach dem Ersten Weltkrieg. Foto: Reinhard Thielsch

Ort der Kommunikation

Bei der Planung des Museums wurde trotz beengter räumlicher Verhältnisse großer Wert auf die Schaffung von Kommunikationsbereichen gelegt. Der in Zusammenarbeit mit der renommierten Literaturhandlung (München-Berlin) betriebene Museumsshop im Eingangsbereich bietet eine reiche Auswahl an Literatur zum Judentum, aber auch Ritualgegenstände und Souvenirs bis hin zu einer Laubhütte als Fürther Guckkästla". In der Museums-Cafeteria besteht auch die Gelegenheit zur Lektüre dort ausliegender aktueller Tageszeitungen und jüdischer Wochen- und Monatsschriften. Die Erfahrungen der ersten Betriebsmonate zeigen bereits, daß diese Angebote in überraschend großem Umfang angenommen werden und einen nicht unwesentlichen Beitrag zur Erschließung von Finanzquellen für die Arbeit des Museums darstellen.

Das Jüdische Museum Franken in Fürth will den Besucherinnen und Besuchern keine fertigen Antworten auf die im Museum thematisierten, spannungsreichen Fragestellungen liefern. Es will nicht Belehren, sondern mit seinen Angeboten zum Nachdenken anregen und sich im Dialog mit dem Publikum weiterentwickeln. Die Aktualität von Geschichte, aber auch die Notwendigkeit des Gedenkens und Sich-Erinnerns wird damit immer wieder aufs Neue vor Augen geführt.

Bernhard Purin

Jüdisches Museum Franken in Fürth
Königstraße 89
D-90762 Fürth
Tel ++49-911/770577

Öffnungszeiten:
Sonntag-Freitag 10-17 Uhr, Dienstag 10-20 Uhr

Führungen und Vermittlungsangebote:
Führungen finden jeweils dienstags um 18.30 Uhr und sonntags um 11.00 Uhr statt. Führungen und Vermittlungsangebote für Gruppen und Schulklassen werden nach telefonischer Vereinbarung in Zusammenarbeit mit dem Verein "Geschichte für Alle e.V." angeboten.

Bibliothek und Verwaltung
Nürnberger Straße 3
D-90762 Fürth
Tel ++49-911/770577
Fax ++49-911/7417896
e-mail: jued@museum.franken1.de